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Baltische Welle

Front-Gouverneur Anton Alichanow verlässt Kaliningrad

Kaliningrad, September 2015, Gouverneurswahlen. Zum Leidwesen aller echten Kaliningrad-Patrioten trat Gouverneur Zukanow nochmals an und wurde wiedergewählt. Es gab keine wirkliche Alternative. Das föderale Führungszentrum hatte hier wohl ein … hm … temporäres Aufmerksamkeitsdefizit und hat die besondere geopolitische Lage des Kaliningrader Gebietes, anderthalb Jahre nach dem Austritt der Krim aus dem Bestand der Ukraine, wohl nicht vollumfänglich erkannt.

Bei der Regierungsbildung durch Zukanow wurde dieser gebeten, einen jungen Mann aus Moskau zu sich zu holen. Er war Leiter eines Departements im Ministerium für Handel und Industrie. Zukanow gab ihm einen sonstigen Ministerposten in der zukünftigen Gebietsregierung, erhielt aber gleich helfende Hinweise aus Moskau: Nein, nicht irgendeinen Ministerposten. Er wird Premierminister der neuen Kaliningrader Gebietsregierung. Das war dann der Anfang vom Ende der Zukanow-Ära.

Alichanow trat ein schweres Erbe an. Als jüngster Gouverneur des modernen Russlands, wurde er direkt in die Frontstadt, heute nennen wir sie Blockadestadt, versetzt und musste mit Korruption, Amtsmißbrauch, Separatismus, Germanisierung, Sandkastengruppierungen, innenpolitischem Kriegszustand und ausgeprägter Pressefreiheit kämpfen.

Bin ich traurig, dass Anton Andrejewitsch Kaliningrad verlässt? Nein, bin ich nicht. Niemand besetzt ewig einen Posten, insbesondere wenn er erfolgreich arbeitet. Und das Anton Alichanow Perspektivkader ist, war mir bereits im Jahre 2015 klar, als er aus Moskau kam, wo er im Ministerium für Handel und Industrie die Funktion des Leiters des Departements für die Regulierung des Außenhandels besetzte. Jetzt kehrt er in sein Ministerium als Minister zurück und wird damit einer der einflußreichsten Minister in der Föderalregierung.

Im September 2027 wäre seine zweite Amtszeit regulär ausgelaufen und spätestens zu diesem Termin hätte er Kaliningrad verlassen. Persönlich, als ich 2022 nach der von mir vermuteten Zukunft des Kaliningrader Gouverneurs gefragt wurde, habe gesagt, dass Alichanow die zweite Amtszeit nicht vollständig durchführen, sondern nach der Hälfte der Zeit in eine höhere Verantwortung abberufen wird. Ich habe mich um ein Jahr geirrt.

Anton Alichanow war der jüngste Gouverneur des modernen Russlands, als er die Funktion antrat. Anfänglich hatte er viele Gegner. Vielen war wohl sein junges Alter und sein junger Erfolg ein Dorn im Auge. Und es störte viele, das Moskau diesen Mann geschickt hatte und kein Kaliningrader Bürger den Posten des Gouverneurs bekam. Aber gerade das war der eigentliche Sinn der strategischen Entscheidung im Kreml. Kein Einheimischer sollte diesen außerordentlich wichtigen Posten in dieser geopolitisch empfindlichen Region mehr besetzen. Irgendwelche, mehr oder weniger sichtbaren separatistischen Tendenzen, Tendenzen zur Germanisierung der Region, wollte das föderale Zentrum unterbinden und hat es erfolgreich geschafft.

Natürlich erhielt Anton Andrejewitsch Alichanow alle notwendige föderale Unterstützung. Putin hatte mit der Auswahl dieses jungen Mannes wohl eine Art Experiment durchgeführt … „alle Macht der Jungend“ und hatte sich bei Alichanow nicht geirrt.

Alle föderalen und fast alle regionalen Machtstrukturen wurden völlig neu besetzt und relativ schnell wurden auch wieder Rotationen durchgeführt. Alichanow kommentierte einmal: „Ich habe hier mit niemandem im Sandkasten gespielt“ – eine Äußerung, die seine völlige Unabhängigkeit bei Entscheidungen für das Kaliningrader Gebiet zeigte. Für mich war dies der wichtigste Schlüsselsatz in der Aufgabenerfüllung durch Alichanow. Alte Strukturen wurden zerschlagen und die sogenannte Kaliningrader Regionalelite nahm einen Platz ein, der ihm zustand … und nicht mehr.

Ein weiterer Verdienst Alichanows besteht meiner Meinung nach darin, dass er den ewigen Krieg zwischen dem Gouverneur und dem Bürgermeister der Gebietshauptstadt Kaliningrad beendet hat. Alle bisherigen Bürgermeister hatten immer nur ihre eigenen Interessen im Kopf: Machtkonzentration und Geldkonzentration in der Gebietshauptstadt und Ambitionen auf den Gouverneursstuhl. Groteske Formen nahm dieser Krieg der „Provinz-Giganten“ in der Zeit des Gouverneurs Zukanow und des Bürgermeisters Jaroschuk an. Beide beschäftigten sich so mit ihren Ambitionen und ihrem Privatkrieg, dass keine Zeit mehr blieb, sich um die Entwicklung des Gebietes zu kümmern.

Anton Alichanow beendete diese Phase und besetzte die Funktion des Bürgermeisters mit Personen, die gute Stadtverwalter waren bzw. sind und keinerlei politische Ambitionen (von Fähigkeiten ganz zu schweigen) auf den Posten des Gouverneurs haben. Und seine Personalpolitik zeigte Erfolg für die gesamte Region und deren Entwicklung.

Ich glaube nicht, dass es die Aufgabe von Alichanow war, aus Kaliningrad ein perfekt funktionierendes Wirtschaftsimperium zu machen. Die Aufgabe von Alichanow bestand wohl darin, die Machtstrukturen neu zu organisieren, Wirtschaftsstrukturen so zu gestalten, dass an deren loyaler Einstellung zukünftig weniger Zweifel bestehen.

Zum Glück ist es Kaliningrad nicht gelungen, ausländische Investoren in bemerkenswertem Umfang für ein Engagement in Kaliningrad zu interessieren. Das erleichtert es jetzt, die Blockadesituation leichter zu bewältigen.

Möglich, dass es dem Kaliningrader Gouverneur Anton Alichanow nicht gelungen ist, das onkologische Zentrum für Kaliningrad zeitgerecht in Nutzung zu überführen. Aber dafür ist es ihm gelungen, Unmengen an Aufmerksamkeit des föderalen Zentrums auf Kaliningrad zu lenken und es gibt riesige Investitionen des föderalen Zentrums in das Kaliningrad Gebiet … in das zukünftige Führungszentrum West.

Alichanow zeigt also persönliche Eigenschaften, die es erfahrenen föderalen Entscheidungsträgern angenehm machen, ihm zuzuhören, ihn zu verstehen und ihm zu helfen, seine Aufgaben in seinem Verantwortungsbereich zu erfüllen. Und diese Eigenschaft wird ihm auch jetzt helfen, die unheimlich verantwortliche Aufgabe des Ministers für Handel und Industrie zu erfüllen. Ich bin mir sicher, dass er diese Aufgabe nicht sechs Jahre ausüben wird. Nach Ablauf der Hälfte der Zeit, wird es sicherlich personelle Neuorientierungen in der Regierung geben und es sollte mich nicht wundern, wenn der Name Alichanow dann in einer nächsthöheren Führungsebene auftaucht.

Als Putin im Jahre 2000 Präsident wurde, war er 48 Jahre alt. Im Jahre 2030 wird Alichanow 44 Jahre alt sein.