Es gibt viele Möglichkeiten, sich zu treffen und Gespräche zu führen. In Russland ist es üblich, dass man sich in der Küche trifft. Auch ich sitze mit meinen Gästen in der Küche. Aber es gibt Ausnahmen und wir sitzen neben einem Kamin – auch zu hitzigen Zeiten, und versuchen mit kühlem Kopf Gedanken auszutauschen.
Es ist gegenwärtig nicht ganz einfach zeitlich alles perfekt zu organisieren. Ich pendele ständig zwischen meinem Office und Friedas Wohnung hin und her. Der Weg ist zum Glück gespickt mit allen Läden die man braucht, um die Dinge des täglichen Lebens für Frieda und mich zu kaufen. Die tägliche morgendliche Sauna habe ich jetzt erstmal gestrichen … es ist zeitlich einfach nicht mehr möglich. Somit kann ich an vielen interessanten Diskussionen im „Informationszentrum Nord“ gegenwärtig nicht mehr teilnehmen und erfahre auch weniger.
Und an einem schönen Tag, Ende Februar, bin ich in meiner Kaliningrader Klinik bei MedExpert, als mir jemand auf die Schulter klopft. „Oi, sind Sie krank …?“ wurde ich gefragt und erkannte einen alten Bekannten, den ich nun schon mindestens … na, wenn nicht noch länger, nicht gesehen hatte.
Ich schaue mir immer Ihre Beiträge an – sie sind ja jetzt auch in russischer Sprache bei Telegram – begann mein Bekannter das Gespräch. Besonders interessiert habe ihn meine Meinung zur Kündigung des Einigungsvertrages 2+4 durch Russland. „Wollen wir uns darüber mal unterhalten … vielleicht an Ihrem Kamin? Ich bringe auch ein Paket Beruhigungstee mit, damit wir uns nicht zu sehr aufregen“, - schlug mein Bekannter vor.
Und so trafen wir uns und unterhielten uns über die deutsche Einheit, die bevorstehende deutsche Teilung, die Rückkehr zum Kriegszustand mit Deutschland, dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, dem Boykott aller internationalen Aktivitäten Deutschlands in der Welt durch Russland und somit dem Zerfall Deutschlands als Staat.
Sie müssten doch jetzt in Hochstimmung sein – begann mein Bekannter das Gespräch. Jetzt, wo die Teilung Deutschlands und die Wiedererrichtung der DDR in Sichtweite ist. Das war doch immer Ihre Hoffnung – oder? … begann mein Bekannter das Gespräch.
Ich erinnerte mich an einen Ausspruch von Putin, von vor einigen Jahren, den ich jetzt, leicht modifiziert widergab:
„Wer den Untergang der DDR nicht bedauert, der hat kein Herz; wer allerdings die DDR in ihrer alten Form wieder errichten will, der hat keinen Kopf.“
Nein, ich will die DDR nicht wieder errichten und wenn möglich sollte auch eine Teilung Deutschlands vermieden werden – nahm ich den vorgegebenen Gesprächsfaden auf. Es geht doch eigentlich nur darum, dass die unvernünftige Politik der jetzigen deutschen Politiker beendet wird und es geht darum, Fehler, die in der Vergangenheit durch Russland bzw. die Sowjetunion gemacht wurden sind und, die Deutschland schamlos ausgenutzt hat, zu korrigieren. Dazu braucht man das Land nicht zu teilen. Es muss nur ein neues politisches Gesellschaftssystem auf dem Gebiet der sogenannten Bundesrepublik Deutschland geschaffen werden.
Mein Gesprächspartner zeigte sich erstaunt. Sehen Sie denn nicht, dass die überwiegende Mehrheit der deutschen Bevölkerung, insbesondere natürlich auf dem Gebiet der alten BRD, also die sogenannten gebrauchten Bundesländer, die generelle anti-Russland-Politik der Regierung unterstützt? Ein ganzes Land einfach umzuerziehen ist unmöglich. Hier werden wohl, so wie sich die Situation jetzt zeigt, radikale Lösungen benötigt.
Naja, ich glaube nicht, dass man eine neue Oktober- oder Novemberrevolution in Deutschland organisieren kann. Es ist einfach niemand da, der diese durchführen wird – so meine überzeugte Antwort.
Möglich, dass Sie heute keine Kräfte sehen, die ein anderes Deutschland wollen. Sie sagen ja selber immer wieder in Ihren Videos, dass Sie sehen, wie zufrieden der deutsche Michel ist. Er spürt noch nicht die Auswirkungen der jetzigen deutschen Politik am persönlichen Beispiel. Aber wenn er es spürt, wird es schnell zu Situationen in Deutschland kommen, wo Barrikaden gebaut werden – erwiderte mein Gesprächspartner.
Stellen Sie sich vor, Russland kündigt den Vertrag über die deutsche Einheit – setzte er seine Überlegungen fort. Damit versetzt man sich rein rechtlich in die Lage vor Inkrafttreten des Vertrages. Russland ist Besatzungsmacht. Wir werden wohl keine Truppen nach Berlin in den Ostsektor schicken – das braucht Russland gar nicht. Da es kein einheitliches Deutschland mehr gibt, wird Russland die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abbrechen. Russland wird danach alle internationalen Aktivitäten Deutschlands blockieren, da dieses Deutschland kein Recht mehr hat, ganz Deutschland zu vertreten. Das beginnt bei der UNO und endet bei der OSZE und internationalen Kultur- und Sportveranstaltungen.
Russland wird die Entfernung von militärischen Einrichtungen im Osten Deutschlands fordern und nötigen Druck aufbauen, um die innenpolitische Lage, zumindest im Osten Deutschlands, zu destabilisieren. Da es das Ziel Deutschlands ist, den rechtmäßig gewählten russischen Präsidenten zu stürzen, bzw. dessen mögliche Wahl im März nicht anzuerkennen, um damit die innenpolitische Situation in Russland zu destabilisieren, brauchen wir uns auch keinerlei Zurückhaltung mehr auferlegen und zahlen mit gleicher Münze heim – informierte mich mein Gesprächspartner. Wir machen also das, was Medwedjew vor einigen Tagen gesagt hat – Dinge durchführen, über die offiziell nicht gesprochen wird.
Schnell nahm ich zwei Schlucke des von ihm mitgebrachten Beruhigungstees.
Je nachdem, wie sich die innenpolitische Situation in den einzelnen Ländern der nichtanerkannten Bundesrepublik Deutschland entwickelt, könnte sich Russland zu wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen entschließen, um das Leben der dortigen Bevölkerung zu erleichtern und damit zu zeigen, wie gut man leben kann, wenn man ein vernünftiges Verhältnis mit Russland aufbaut.
Ich nahm noch einen Schluck Beruhigungstee und fragte, ob er schon Vorstellungen habe, wie Russland einzelne Regionen Deutschlands wirtschaftlich unterstützen kann. Die Gas- und Öllieferungen, Grundlage für den jetzigen deutschen Reichtum, funktionieren doch nur über Territorien unfreundlicher Staaten.
Nein, darüber habe er sich noch keine Gedanken gemacht. Aber es wird ausreichend Spezialisten auf beiden Seiten geben, die eine Lösung finden werden – antwortete mein Bekannter auf meine Zwischenfrage.
Und es gibt doch jetzt schon eine ganze Reihe von politischen Kräften, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland anzweifeln. Einige nennen sich Reichsbürger, andere positionieren sich etwas anders, aber zweifeln auch die Existenz des Landes an. Es gibt Leute, die wollen zum Kaiserreich zurück oder auch zum Deutschland des Dritten Reiches. Alle diese unterschiedlichen Kräfte werden ihre Aktivitäten intensivieren, vielleicht auch ein Zweckbündnis abschließen und damit die innenpolitische Situation in Deutschland destabilisieren.
Die deutsche Wirtschaft, wesentlich klüger als die deutschen Politiker, wird sich rechtzeitig absetzen und die Produktion dorthin verlagern, wo man leichter Geld verdienen kann. Das führt zu Arbeitslosigkeit und vermutlich wird Deutschland immer weniger in der Lage sein, seinen sozialen Verpflichtungen für die Menschen zu erfüllen, die sich auf dem Territorium des Landes befinden. Das bringt die Leute auf die Straße …
Ich stand auf und ging in die Küche um eine neue Kanne Beruhigungstee aufzubrühen. Mein Gesprächspartner begleitete mich.
Warum soll es nicht möglich sein, dass einzelne Bundesländer oder Regionen ihre Souveränität, ihre Autonomie von der Föderalverwaltung erklären – fragte mein Bekannter. Man teilt das Land nicht, sondern schafft nur für sich die Bedingungen, die man für das Wohl der eigenen Bevölkerung braucht. Die Länder der ehemaligen DDR stimmen in ihren Landesparlamenten für eine Autonomie. Man macht nur das, was damals in der DDR passierte, als die von der BRD installierte temporäre verräterische Volkskammer für die Wiedervereinigung stimmte, ohne das Volk zu fragen.
Und im Rahmen dieser Autonomie, fassen die Bundesländer den Beschluss, sich zu einem Autonomie-Interessensgebiet zu vereinen, das im günstigsten Fall die Länder auf dem Gebiet der ehemaligen DDR umfasst, führen eine eigene Innenpolitik, Migrationspolitik, Sicherheitspolitik, Außenpolitik durch. Natürlich werden auch die Archive des Verfassungsschutzes und des BND, die sich in diesen Bundesländern befinden, geöffnet und der Bevölkerung zugänglich gemacht. Immerhin hat das Volk ein Recht zu erfahren, was in der Vergangenheit getan wurde, um Deutschland zum jetzigen Zustand zu bringen und wer daran welchen Anteil hat. Die STASI-Archive wurden öffentlich gemacht, jetzt wird die Bevölkerung die Öffnung der VS- und BND-Archive fordern, um möglichen Verrat am eigenen Land aufzudecken.
Die neue Kanne mit Beruhigungstee war fertig und wir gingen zurück zum Kamin. Mir zitterten leicht die Hände, was nicht unbedingt an meinen jetzigen Problemen mit den Kniegelenken lag.
Nun müssen Sie sich aber vorstellen, nahm mein Gesprächspartner das Thema wieder auf, dass all dies natürlich nicht isoliert, nur innenpolitisch, vor sich geht. Im internationalen Maßstab werden die Probleme für Deutschland wachsen und wenn Deutschland, in dieser existenzbedrohenden Situation, keine superqualifizierten Politiker und Beamte hat, wird das Land international bedeutungslos werden. Alle Räder greifen schnell ineinander und der Zusammenbruch der staatlichen Strukturen erfolgt in Deutschland schnell. Ein Teil der Bevölkerung, die Diener des Staates, die Beamten, werden sich rechtzeitig absetzen, um nicht für Handlungen zur Verantwortung gezogen zu werden. Wir wissen ja, welche Gerichte nach dem 3. Oktober 1990 in der sogenannten Bundesrepublik arbeiteten, um die Politiker und Beamten der DDR zu verurteilen.
Ich brauchte wieder einen Schluck vom Beruhigungstee.
Und vergessen Sie nicht die vielen Millionen Flüchtlinge, denen es jetzt in Deutschland gut geht, teilweise besser als den deutschen Bürgern. Aber Deutschland ist nicht mehr in der Lage, diesen Flüchtlingen das zu geben, was diese bisher erhalten haben. Und die Deutschen selber, denen es sozial jeden Tag schlechter geht, werden neidisch auf die Flüchtlinge schauen, die immer noch irgendetwas erhalten, was ihnen, nach Meinung der immer ärgerlicher werdenden Deutschen, nicht zusteht. Die innenpolitische Situation in Deutschland zwischen der deutschen Stammbevölkerung und den Migranten wird wachsen und es wird zu Gewalttätigkeiten kommen. Unterschiedliche Meinungen werden nicht nur in Talk-Shows geäußert, sondern auf den Barrikaden der Straßen – erschreckte mich mein Gesprächspartner.
Und dann gibt es noch ein Problem – erschreckte mich mein Bekannter. Ich fühlte schon, dass Deutschland mindestens so viele Probleme bekommen wird, wie Russland Sanktionen erhalten hat. Neugierig schaute ich auf die Lippen meines Bekannten.
Da es keinen gültigen deutschen Einheitsvertrag gibt, gibt es auch keine Lösungen mehr für die Grenze zwischen Polen und Deutschland. Die Grenze ist nicht anerkannt und Polen wird natürlich alles Mögliche fürchten. Und man wird die historische Chance nutzen, Deutschland wieder an seine historische Verantwortung für den Völkermord an der polnischen Bevölkerung zu erinnern. Sie wissen ja, dass der Geldbedarf Polens groß ist – insbesondere in einer Phase, wo Deutschland sich in der staatlichen Auflösung befindet, die Europäische Union auseinanderbricht und die NATO, bedingt durch die Autonomie einzelner Länder auf dem Gebiet der sogenannten Bundesrepublik Deutschland, keine logistische Verbindung mehr hat zu Polen, geschweige denn zu den Baltischen Staaten.
Fast unbemerkt hatte ich die zweite Kanne Beruhigungstee ganz alleine ausgetrunken. Aber trotzdem war ich völlig aufgewühlt und überhaupt nicht ruhig.
Mein Gesprächspartner bemerkte natürlich meinen Zustand und versuchte mich zu beruhigen. Noch ist nicht alles zu spät, meinte er. Noch können die Deutschen vieles regulieren, wenn man denn will. Obwohl, viel Zeit bleibt nicht mehr, beendete mein Gesprächspartner seinen Teiloptimismus.
Autor des Beitrages ist „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus der Blockaderegion Kaliningrad – der Region, die nach den Vorstellungen Litauens als erste sterben wird, wenn die NATO Russland angreift.