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Baltische Welle

Braucht Russland eine neue Generation RusslandDeutscher?

Tausende von Deutschen sitzen auf gepackten Koffern und wollen nach Russland flüchten, erklärten mir vor ungefähr zehn Jahren einige Deutsche, die bei mir im Kaliningrader Office saßen und mich baten zu helfen. Ich half nicht, denn die Motivation dieser Leute war mir damals unverständlich. Heute ist sie mir verständlich. Ich habe verstanden, was derartige Aktivisten wollen.

Die damaligen deutschen Aktivisten, die heute alle Einreiseverbot nach Russland haben, wollten keine neue Generation RusslandDeutscher schaffen. Sie wollten eine materielle Basis mit Revanchisten schaffen, um letztendlich den geopolitischen Status quo durch „Umvolkung“ zu ändern.

Schon Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es Bemühungen deutscher staatlicher Strukturen, eine Veränderung der Bevölkerungsstruktur in Kaliningrad vorzunehmen. Man stoppte die Auswanderung der RusslandDeutschen aus Russland, Kasachstan und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken nach Deutschland und versprach materielle und finanzielle Hilfen, wenn diese sich in Kaliningrad, der unvergessenen ostpreußischen Region des Großdeutschen Reiches, ansiedeln.

Auch dieser Versuch der „Umvolkung“ schlug fehl. Der Anteil der RusslandDeutschen im Kaliningrader Gebiet liegt heute bei unter einem Prozent.

Lassen Sie uns, um die Thematik besser verstehen zu können, ein wenig in die weit, weit zurückliegende Geschichte schauen.

Die Geschichte der RusslandDeutschen beginnt im Prinzip unter Peter dem Großen (1672 – 1725). Dieser reiste durch Europa um Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Er kam zu der Erkenntnis, dass er Russland nur modernisieren kann, wenn er ausländische Spezialisten nach Russland holt. Und er holte ausgewählte Spezialisten nach Russland. Von einer massenhaften Anwerbung würde ich, nach all dem, was ich aus dieser Zeit gelesen habe, nicht sprechen wollen. Peter der Große legte Wert auf qualitativen Migrationszuwachs.

Die große Migrationswelle setzte unter Katharina der Großen ein. Sie wurde 1793 russische Zarin und danach begann die massenhafte Einwanderung. Wir erinnern uns an die vielen Kleinstaaten in Europa, die irgendwann mal zum Deutschen Reich wurden, an die französische Revolution, an die Napoleonischen Kriege … Alles Ereignisse, die Menschen dazu bringen zu überlegen, ob es sich woanders besser lebt.

Weder Peter der Große, noch Katharina II. hatten die Probleme, die wir heute haben. Kein deutscher Bundeskanzler oder Kaiser forderte vor 200 oder 300 Jahren Putin zu stürzen und Russland eine strategische Niederlage zu bereiten. Den Begriff „Fünfte Kolonne“ kannte man damals noch nicht. Die USA hatten mit sich selbst und ihren Indianern und später mit ihrem Bürgerkrieg zu tun und verfügten über keinerlei Schiffe, um nach Moskau oder an die Wolga zu rudern. Und es existierte kein Internet, mit dem man die kleinen und großen Navalnys auf die Straßen im Wolga-Gebiet bringen konnte.

Somit sah das damalige Russland mit ganz anderen Augen auf diese Zuwanderer. Sie stellten keine wirkliche Gefahr dar und es ging diesen Einwanderern nur darum, für sich und ihre Familien ein neues Leben zu gestalten und damit auch Russland in seiner Entwicklung zu helfen.

Der Unterschied zur heutigen Situation besteht wohl im wesentlichen darin, dass damals die Deutschen auf Einladung der russischen Imperatoren nach Russland kamen. Peter der Große hat angeworben und Katharina II hat eingeladen. Heute wird nicht wirklich angeworben und nicht wirklich eingeladen. Es gibt eine Gesetzgebung, die das Leben für Ausländer in Russland regelt. Wem das gefällt, kann kommen. Anwerbungen auf staatlicher Ebene sehe ich nicht. Ich sehe nur, dass Russland daran interessiert ist, die sogenannten RusslandDeutschen, die nach 1990 in großer Anzahl aus Russland ausgereist sind, nach Russland zurückzuholen. Aber das deutsche Deutsche angeworben und umworben werden, nach Russland überzusiedeln, … nein, das sehe ich nicht. Die Chancen, dass Deutsche den möglichen Rufen der russischen Regierung folgen, dürften auch sehr gering sein.

Aber Deutsche folgen den Rufen nach Russland. Zumindest verkünden dies Leute, die sich anbieten, uneigennützig Ausländern, insbesondere Deutschen, bei der Übersiedlung nach Russland zu helfen. So zitiert die russische Zeitung „Fontanka.ru“ den Österreicher Martin Held, der, so schreibt die Zeitung, ohne russische Sprachkenntnisse seit vielen Jahren in Russland lebt und der meint, dass im Jahre 2024 bis zu 9.000 Personen aus deutschsprachigen Ländern nach Russland siedeln werden. Für die nachfolgenden zwei Jahre sagt der Österreicher eine Einwanderung von weiteren 30.000 deutschsprachigen Personen nach Russland vorher.

Wenn ich diese Äußerungen mal frei interpretiere und mit meiner, nun schon hinlänglich bekannten, negativen Einstellung zu Masseneinwanderungen nach Russland, insbesondere nach Kaliningrad würze, so sagt Martin Held die Einwanderung von 39.000 Personen aus Feindesländern für die kommenden drei Jahre voraus. Und wir wissen nicht, wer davon Freund und wer Feind ist.

Und es steht die Frage, ob Russland diese Leute braucht, deren Motivation zu einer Übersiedlung nach Russland häufig nicht wirklich zu durchschauen ist.

Alle Personen, mit denen ich mich in den letzten zehn Jahren getroffen habe und die Deutsche oder deutschsprachige Menschen nach Russland holen wollten, waren Personen mit Geburtsort, der westlich des Eisernen Vorhangs lag. Warum beschäftigen sich keine exDDR-Bürger, vielleicht ehemalige SU-Studenten mit dieser Thematik? Eine Frage, auf die ich bisher keine Antwort gefunden habe.

Diese Personen, liebevoll auch Wessi genannt, gründeten Firmen und komplizierte Organisationsformen in Russland. Deren Strukturen und Arbeitsweise wurde sowohl von russischen und sogar von deutschen Medien als kompliziert und nicht transparent charakterisiert. Das macht die Thematik der Schaffung einer möglichen neuen Generation von „RusslandDeutschen“ nicht einfacher. Man wird misstrauischer – leider.

Häufig höre ich von angeblich Übersiedlungswilligen als Motivation die Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in Deutschland. Man mag den Bundeskanzler nicht, man mag die Bürokratie nicht, man mag die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht, man ist allgemein unzufrieden mit Deutschland.

Und ausgerechnet Russland soll das Land sein, wo man glücklich wird? Für die meisten ist Russland ein weitestgehend unbekanntes Land. Kultur, Sprache, tägliches Leben, tägliches arbeiten … alles unbekannte Dinge. Und ich stelle mir vor, dass all diese 39.000, in Deutschland oder deutschsprachigen Ländern unzufriedene Personen, nun auch in Russland unzufrieden werden, weil irgendwelche Erwartungen nicht in Erfüllung gehen und Versprechen, die die Firmen geben, die die Leute nach Russland locken, nicht eingehalten werden.

Und wer ist dann schuld? Russland ist schuld und nicht die Firmen oder die Personen, die mit einer Hamelner Flöte diese Unzufriedenen nach Russland gelockt haben.

Und deshalb glaube ich, dass Russland keine neue Generation von RusslandDeutschen braucht. Russland soll sich, so wie Putin dies bei seinen vielen Auftritten immer wiederholt, auf die Menschen konzentrieren, die der russischen Kultur, dem russischen Wesen, der russischen Geschichte real nahestehen, begründet aus der geschichtlichen Entwicklung. Aus Feindesländern soll man Einzelpersonen aufnehmen, deren Qualifikation real benötigt wird und die leicht zu kontrollieren sind und somit keine Chance haben, die Reihen der Fünften Kolonne in Russland zu verstärken.

Autor des Beitrages ist „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Tschüss und Poka aus der Blockadestadt Kaliningrad.