In den Medien war zu lesen, dass in der russischen Staatsduma die Frage des Wehrpflichtalters für diejenigen besprochen wurde, die die russische Staatsbürgerschaft auf Antrag erhalten haben. In einem Gesetzentwurf, der jetzt veröffentlicht wurde, ist vorgesehen, dass diese Gruppe von russischen Bürgern bis zum Alter von 50 Jahren zum Wehrdienst einberufen werden können.
Noch handelt es sich nur um einen Gesetzentwurf, der von Abgeordneten der LDPR und der Partei Einiges Russland eingebracht worden ist. Grund für eine derartige Initiative ist, dass viele derjenigen, die die russische Staatsbürgerschaft erhalten haben, sich vor den Pflichten zum Wehrdienst drücken. Nicht wenige warten mit ihrem Antrag auf Erhalt der russischen Staatsbürgerschaft auch bis Erreichung des Höchstalters 30 Jahre, wonach eine Einberufung zum Wehrdienst nicht mehr möglich ist – kommentieren die Initiatoren dieses Gesetzentwurfes.
Die Abgeordneten haben sich mit der, vom russischen Innenministerium vorgelegten Statistik beschäftigt. Danach haben von Januar bis Oktober 2023 rund 318.000 Ausländer (im wesentlichen aus Tadschikistan, Armenien, Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Aserbaidschan) die russische Staatsbürgerschaft auf Antrag erhalten. Aber ein Großteil dieser neuen russischen Staatsbürger möchte alle Vorteile nutzen, die die Staatsbürgerschaft bietet, sind aber, trotz geleistetem Eid zur Treue und Loyalität gegenüber dem russischen Staat, eben nicht bereit, auch die Pflichten zu erfüllen, die der Staat gesetzlich geregelt hat.
Die Abgeordneten sind der Meinung, dass das von ihnen erarbeitete Gesetz die Fragen regelt und Ungerechtigkeiten im Verhältnis zu den gebürtigen russischen Bürgern beseitigt.
Seit dem 1. Januar regelt ein neues Gesetz, dass das Mindestalter 18 Jahre und das Höchstalter 30 Jahre für wehrpflichtige Männer in Russland beträgt. Erwirbt ein Ausländer die russische Staatsbürgerschaft, hat er einerseits einen Treueeid auf Russland zu leisten und hat sich innerhalb von 14 Tagen beim zuständigen Wehrkreisamt zu melden, um sich dort erfassen zu lassen. Tun sie dies nicht, so gibt es u.a. Schwierigkeiten bei einer Erwerbstätigkeit, denn es ist allen Arbeitgebern in Russland verboten, eine männliche Person ohne Wehrdienstausweis offiziell einzustellen.
Im Dezember hat die russische Staatsduma leider eine Gesetzesinitiative abgelehnt, wonach die erworbene Staatsbürgerschaft wieder aberkannt werden kann, wenn sich der Betroffene dem Wehrdienst entzieht.
Phantasieren wir ein wenig zu dieser Thematik. Wir wissen, dass die Zahl derjenigen, die die erworbene Staatsangehörigkeit wieder verlieren, weil sie irgendwelchen gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen sind, stark ansteigt. Wir haben also bei der Beantragung der Staatsbürgerschaft ein qualitatives Problem.
Warum sollte es nicht möglich sein, eine Art „Kandidatenzeit“ einzuführen – eben so, wie dies früher üblich war, als man Mitglied einer Partei werden wollte. Die Kandidatenzeit sollte ein Jahr betragen. In diesem Jahr hat der neue Staatsbürger auf Probe ausreichend Zeit, allen seinen Pflichten nachzukommen, die er bis zum Erhalt nicht erledigen konnte, weil dies gesetzlich einfach nicht möglich ist. So also auch die Registrierung im Wehrkreisamt, die Meldung, dass man noch eine zweite, dritte Staatsbürgerschaft hat …
Die russische Verfassung, neu gefasst im Jahre 2020, kennt keine Staatsbürger unterschiedlicher Kategorien. Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich, egal, wie sie diese Staatsbürgerschaft erworben haben: durch Geburt oder auf Antrag. Persönlich habe ich somit Zweifel, dass dieses Gesetz bei einer Klage vor dem russischen Verfassungsgericht Bestand haben wird.
Eigentlich wollte ich an dieser Stelle meinen Beitrag beenden, aber die gesellschaftlichen Reaktionen in Russland kamen schneller, als ich dachte. Und so antwortete der Vorsitzende der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin noch gleich am Freitagvormittag auf diese Gesetzesinitiative. Er schlug den Autoren dieses Gesetzentwurfes vor, diesen sofort zurückzuziehen. Es ist notwendig, dass man derartige Vorschläge allumfassend diskutiert, bevor man so an die Öffentlichkeit tritt. Und wenn der Vorsitzende der Staatsduma von einer „allumfassenden Diskussion“ spricht, so denke ich mal, dass er natürlich auch die Verfassung meint, die zu beachten ist.
Was mich persönlich anbelangt, ist mir eigentlich egal, was die Gesetze in Russland in dieser Frage regeln. Sollte es zum Konfliktfall kommen, so werde ich meine Pflicht gegenüber dem Staat, der mich 2020 als Staatsbürger aufgenommen hat und meine Persönlichkeit und Vergangenheit immer geachtet und nie diskreditiert hat, immer erfüllen – völlig unabhängig, dass bis zu meinem 70. Geburtstag nur noch 14 Monate bleiben. Das Alter spielt keine Rolle. Auch mit 70 und im Rollstuhl kann man seinem Staat noch dienen – z.B. als Dolmetscher für deutsche Kriegsgefangene.
Autor des Beitrages ist „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Tschüss und Poka aus der Blockadestadt Kaliningrad.