Sergej Naryschkin ist Chef der russischen Auslandsaufklärung. Er macht sich Gedanken zu den Studenten, die die Amerikaner auf ihre Kosten aus Russland zu sich zum Studium einladen. Da Leben Geben und Nehmen ist, kommen dem Chefaufklärer Russlands natürlich nachvollziehbare Gedanken in den Sinn.
Aus seinem Interview, welches der russische Chefaufklärer vor einigen Tagen „RIA-Novosti“ gab, kann man entnehmen, dass es Russland bekannt ist, dass die Geheimdienste westlicher Länder versuchen, auf russische Auslandsstudenten Einfluss zu nehmen. Man sucht sich potentiell Geeignete aus den Reihen der russischen Studenten heraus und versucht, diese anzuwerben. Sie sollen nach ihrer Rückkehr nach Russland hier in verantwortlichen Positionen den Amerikanern – um nur ein Beispiel, nur ein Land zu nennen, die Informationen liefern, die die Amerikaner brauchen, um ihre unipolare Herrschaft auch über Russland auszubauen. Diese Studenten werden also der Nachwuchs für die Fünfte Kolonne, die in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts, im Rahmen des Sterbens der Sowjetunion und des Niedergangs, der Kolonialisierung Russlands, ziemlich perfekt entwickelt wurde.
Beeindruckend war die Zahl der russischen Studenten, die in den USA studiert und dort einen Abschluss erhalten haben: 80.000. Steht die Frage, was das denn für Menschen waren, die sich entschlossen haben, in den USA zu studieren.
… übrigens, mal noch schnell erwähnt … viele von diesen Studenten, die in den 90er Jahren in den USA oder anderen westlichen Ländern studiert haben, versuchen heute mit allen Mitteln diesen Westaufenthalt zu verschweigen, wohl wissend, dass der russische Staat endlich misstrauisch geworden ist. Wozu aber einen Studienaufenthalt verschweigen, wenn man nichts zu verbergen hat?
Es ist eine einfache Wahrheit, dass Studenten arm sind. Niemals reicht das Geld aus, um das Studium, die Wohnung, das Auto … kurz, das tägliche Leben zu bezahlen. Aber wie ist dies, wenn man dann auch noch ins Ausland geht, wo das Studium selber natürlich auch noch zu bezahlen ist. In Russland gibt es viele Studienplätze, die budgetfinanziert werden.
Somit handelt es sich bei diesen Studenten entweder um Söhne und Töchter reicher russischer Eltern, oder aber sie erhalten eine Studienförderung des Landes, in dem sie ein Studium aufnehmen. Auch Deutschland gehört zu denen, die viele russische Studenten mit einem Stipendium fördern … naja, ködern wäre wohl das bessere Wort.
Wie formuliert man aktuell auf der Internetseite der Botschaft der feindlichen Bundesrepublik Deutschland in Russland:
„Fast alle der in den Stipendienprogrammen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) geförderten Studierenden und Wissenschaftler, haben ihren Aufenthalt in Deutschland begonnen. Nachdem sie sich erfolgreich im Auswahlprozess durchgesetzt haben, konnten fast alle Visa problemlos erteilt werden.“
Für mich stellte sich, als ich diese Zeilen gelesen hatte und ich mich an all die Dinge erinnerte, die mir seit 1995, insbesondere aber seit 2005, dem Erscheinen des deutschen Generalkonsulates in Kaliningrad, bekannt geworden sind, die Frage, was man denn unter „Auswahlprozess“ in Deutschland versteht. Nach welchen Kriterien werden in Deutschland russische Studenten ausgewählt, die auf Kosten des deutschen Steuerzahlers in Deutschland studieren dürfen? Doch ganz bestimmt keine, die während des „Auswahlprozesses“ rufen: „Es lebe Putin. Nieder mit den deutschen Revanchisten, die die ukrainischen Nazis unterstützen.“
Als ich mich auf der Internetseite der BRD-Botschaft zum DAAD ein wenig kundig gemacht hatte, insbesondere auch den Teil gelesen hatte, der die „Alumni“ betraf, versuchte ich mir vorzustellen, dass ich BND-Mitarbeiter wäre … was für ungeahnte Möglichkeiten würden sich für mich und meine geheimdienstliche Arbeit hier ergeben.
Ich erinnere mich an ein Gespräch, welches ich vor einiger Zeit mit einem jungen Menschen hatte, der mir erzählte, dass er im Ausland studieren möchte. Das Gespräch fand irgendwann vor dem 24. Februar 2022 statt. Mein Bekannter wollte in einem Land studieren, welches heute das Attribut „unfreundlich“ von Russland erhalten hat.
Ich zeigte mich ein wenig verwundert über diesen Gedanken, denn die Studienrichtung, die mein Bekannter wählen wollte, wird auch in russischen Universitäten angeboten. Nein, es musste das Ausland sein. Natürlich habe ich auch ein wenig Verständnis, wenn ein junger Mensch ins Ausland will – das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Ich selber habe ja auch im Ausland studiert … aber das war zu anderen Zeiten und es war in einem befreundeten Land.
Ich fragte meinen jungen Bekannten, ob er sich mal Gedanken gemacht hat, wie man mit ihm im Ausland arbeiten werde. Ich erinnerte ihn daran, dass seine Eltern in Russland engagierte Bürger sind und sich auf der Schwarzen Liste der Europäischen Union befinden und Einreiseverbot haben. Und nun reisen Sie in das Land „…“ und wollen dort studieren?
Ich begann laut zu überlegen.
Das Studium dauert insgesamt fünf Jahre. Das erste Jahr läuft alles bestens. Man erlernt die Sprache, um das weitere Studium gut bewältigen zu können. Das erste Studienjahr läuft auch völlig normal. Im zweiten Jahr könnte es dann schon zu einer zufälligen Bekanntschaft irgendwo in einer Uni-Bibliothek oder in einem Café kommen – um mal die üblichen Klischees zu bedienen. Der zuständige ausländische Dienst hatte genügend Zeit, in den letzten zwei Jahren Ihre Persönlichkeit, Ihre Stärken, Ihre Schwächen zu studieren. Und nun macht man ganz vorsichtig eine Andeutung, die Sie natürlich, mehr oder weniger empört ablehnen.
Im dritten Studienjahr fallen Sie dann plötzlich durch einige Zwischenprüfungen, müssen diese wiederholen. Warum das so ist, wo Sie doch ein erstklassiger Student sind … darüber machen Sie sich Gedanken, kommen aber bestimmt nicht darauf, dass da jemand Einfluss auf Ihre Erfolge, also in diesem Falle Misserfolge, nimmt. Es ist völlig egal, wie gut Sie studieren. Wenn Sie sich nicht für eine Zusammenarbeit entscheiden, werden Sie ihr Studium ohne Abschluss beenden.
Genau das wird man Ihnen zu verstehen geben und Ihnen wird plötzlich bewusst, dass Sie fünf Jahre Ihres Lebens verlieren werden, wenn Sie nicht einer Zusammenarbeit mit dem Bundesnachrichtendienst … oi, jetzt habe ich mich doch verplappert …ich meine natürlich der CIA oder oder oder zustimmen.
Mein junger, sehr junger Bekannter sah mich entsetzt an. In diese Richtung hatte er nie gedacht und anscheinend haben auch seine Eltern nie dieses Thema aufgegriffen.
Natürlich gibt es aus jeder Situation einen Ausweg. Hierbei muss man sich nur bewusst sein, dass man russischer Staatsbürger ist. Und Russland hat Dienste, deren Mitarbeiter geschult sind, aufmerksam zuzuhören, wenn ein Bürger Sorgen und Nöte hat oder einfach nur einen Rat in einer gewissen Situation braucht. So kann dieser junge Student getrost einer Zusammenarbeit mit irgendeinem ausländischen Dienst zustimmen und natürlich schon während des Studiums einige Informationen, als Beweis der Loyalität und Leistungsbereitschaft gegenüber dem ausländischen Geheimdienst, liefern. Logisch, dass diese Informationen mit den Diensten seines Heimatlandes abgestimmt werden. Und wenn er das Abschlussdiplom der ausländischen Universität in Händen hält, kann er getrost nach Hause fahren. Wie es dann dort weitergeht … posmotrim.
Das ist nun schon alles einige Zeit her und vor kurzem hatte ich zufälligen Kontakt mit diesem jungen Mann. Er ist immer noch in Russland, hat keine Pläne mehr im Ausland zu studieren und zeigte sich ansonsten mit dem Leben rundum zufrieden. Auf meine Frage, was er denn jetzt macht, antwortete er: „Ich studiere“. Und auf meinen fragenden Blick setzte er fort: „Ich habe einen Dienstvertrag mit der russischen Armee unterschrieben und studiere an einer Militärhochschule.“
Autor des Beitrages ist „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.