Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Diesen stereotypen Spruch kennt jeder. Dabei spielen sich im Leben eines älteren Menschen jeden Tag Dinge ab, die sein bisheriges Leben verändern und vielleicht sogar völlig auf den Kopf stellen. Und häufig erweist sich das Umpflanzen für den alten Baum sogar als Vorteil. Begleiten Sie eine 94jährige deutsche Frau auf den Weg von Deutschland nach Russland.
Die kurzen Videobeiträge in den vergangenen Wochen haben Sie bereits auf eine neue Beitragsserie eingestuft. Bei der 94jährigen deutschen Frau handelt es sich um meine Mutter, die ich zu mir nach Kaliningrad geholt habe.
Alle Befürchtungen, die ich in den letzten Jahren in persönlichen Gesprächen zu diesem Thema gegenüber Bekannten vorgebracht hatte, als es um den Gedanken einer Übersiedlung meiner Mutter nach Russland ging, erwiesen sich als völlig unbegründet. Meine wesentlichsten Bedenken gingen in Hinsicht der Transportfähigkeit meiner Mutter. Allerdings glaube ich auch ein wenig an das einfache Glück im Leben. Die Übersiedlung war von vielen Menschen vorbereitet worden und verlief – zumindest für meine Mutter – zum Glück weitestgehend stressfrei.
Mit dieser neuen Beitragsserie, direkt und aktuell aus dem russischen Leben gegriffen, zu einer politisch sehr schwierigen und nicht ungefährlichen Zeit, möchte ich meinen deutschsprachigen Zuschauern vermitteln, dass Russland ein Land ist, in dem man ganz normal leben kann. Das Lebensniveau ist in allen Schlüsselbereichen so, wie man es auch aus Deutschland gewohnt ist. In einigen Bereichen – das behaupte ich einfach, trotz über 30jähriger Abwesenheit aus Deutschland, ist es sogar besser, zumindest empfinde ich dies so.
Begleiten Sie mich also in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten, gemeinsam mit meiner Mutter durch Kaliningrad. Schauen Sie auf das reale Leben in der Blockadestadt und wie wir dies bewältigen. Vergleichen Sie das, was ich Ihnen berichte, mit dem, was Ihnen die deutschen Medien anbieten und entscheiden, wem Sie mehr Glauben schenken zum Thema „Russische Wirklichkeit“.
Ernsthaft habe ich vor einem Jahr angefangen über eine Übersiedlung meiner Mutter nachzudenken. Gründe waren, dass ich nur noch sehr selten nach Deutschland kommen kann. Die Betreuung meiner Mutter, die die Pflegestufe IV in Deutschland hat, hatte mich überhaupt nicht zufriedengestellt. Die rasant wachsenden Kosten, die durch die Pflegeversicherung nicht abgedeckt werden, standen in keinem Verhältnis zu den, durch die beauftragten Pflegefirmen erbrachten Leistungen. Immer mehr Geld für immer weniger Pflegeminuten wurde gefordert.
Zum Jahresende 2022/23 spitzte sich die Lage zu und es kam zu Meinungsverschiedenheiten mit einer Pflegefirma in Deutschland. Ich forderte von der Firma eine detaillierte Abrechnung ihrer Leistungen, um zu erfahren, wofür ich tausend Euro im Monat zusätzlich zu zahlen habe. Anstelle der detaillierten Abrechnung, erhielt ich die Kündigung des Pflegevertrages.
In hektischer Eile musste innerhalb von zwei Tagen eine neue Pflegefirma gefunden und alles neu organisiert werden.
An dieser Stelle begann ich intensiv über Veränderungen nachzudenken. Dieses Nachdenken wurde noch dadurch befördert, dass die Reisesituation zwischen Russland und Europa, zwischen Kaliningrad und Deutschland, immer komplizierter wurde. Der Zeitpunkt, wo die Exklave Kaliningrad durch Polen und Litauen komplett blockiert wird, ist wohl absehbar. Wie hätte ich mich in einem solchen Fall um meine Mutter kümmern können?
Hinzu kamen Überlegungen, wann sich mein eigener Gesundheitszustand so entwickelt, dass ich nicht mehr reisen kann.
In meinem Kaliningrader Bekanntenkreis wurden alle „Für und Wider“ einer Übersiedlung diskutiert. Der Standardspruch meines Geschäftspartners lautet in jeder Lebenslage: Es gibt für uns keine Probleme. Es gibt nur Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen. Die Praxis der kommenden Zeit zeigte, dass es gelungen ist, auf alle Fragen eine Antwort zu finden.
Erstmals hatte ich mit meiner Mutter Mitte 2022 sehr vage über eine mögliche Übersiedlung nach Russland gesprochen und war auf eine erstaunlich große Bereitschaft seitens meiner Mutter gestoßen. Weitere Gespräche fanden danach per Telefon statt und bei zwei weiteren Besuchen in Deutschland. Im März 2023 wurde dann der Beschluss gefasst, die Umsiedlung real zu organisieren.
Der Organisationsumfang war entsprechend groß, denn es ging ja nicht um eine Touristenreise, wo man nur mal kurz für sieben Tage ein Land bereist. Es ging um einen Umzug, der Schaffung eines neuen Lebensmittelpunktes und der Liquidierung eines alten Lebensmittelpunktes. Es mussten Antworten auf viele Fragen gefunden werden:
· Wie erfolgt der Transport meiner mobilitätseingeschränkten Mutter von Norderstedt nach Kaliningrad?
· Wie und wo erfolgt die Unterbringung meiner Mutter in Kaliningrad?
· Wer betreut meine Mutter in Kaliningrad?
· Wie erfolgt die medizinische Betreuung in Russland?
· Wie können wir die Sprachbarriere abbauen?
· Wie können wir den realen ununterbrochenen Aufenthalt meiner Mutter in Russland organisieren?
· Welche finanziellen Besonderheiten sind zu berücksichtigen?
· Was geschieht mit unserem materiellen Besitz in Deutschland?
In den nachfolgenden Beiträgen werde ich über all diese Dinge informieren. Ziel ist es, einerseits meine interessierten Zuschauer über das weitere Leben Erichowitschs mit seiner Mutter Frieda in Kaliningrad zu informieren und hierbei das praktische Leben in Kaliningrad zu zeigen. Andererseits möchte ich Denkanstöße für diejenigen gebe, die sich mit ähnlichen Gedanken einer Übersiedlung tragen und die mehr erfahren möchten über mögliche Hürden und Schwierigkeiten, die beachtet werden müssen, um ein geplantes „Tschüss und Poka Deutschland“ nicht zu einem Fiasko zu machen.