Der Kaliningrader Gouverneur Anton Alichanow hat während des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg vorgeschlagen, für russischsprachige Bürger des Baltikums Multivisa einzuführen. Die in den baltischen Ländern lebenden russischsprachigen Menschen, sollten wie Bürger Russlands behandelt werden und die Möglichkeit erhalten, sich dann und so lange in Russland aufzuhalten, wie sie es für nötig erachten. Vermutlich hat der Kaliningrader Gouverneur die Hoffnung, dass einige dieser Menschen sich doch für eine Rückkehr nach Russland entschließen, denn er widersprach dem Leiter der föderalen Organisation RosZusammenarbeit, der gemeint hat, dass das Potenzial der Rückübersiedler ausgeschöpft ist.
Alichanow glaubt an eine veränderte Motivation möglicher Übersiedler. Während vor zehn oder zwanzig Jahren, die Begriffe „Sehnsucht“, „Heimweh“ und „Familienbindung“ eine wesentliche Rolle für die Rückkehr von ehemaligen Sowjetbürgern nach Russland spielten, so ist dies heute wohl anders.
Der Kaliningrader Gouverneur glaubt, dass es nicht wenige Rückkehrwillige gibt, die enttäuscht sind von dem, was sie im Westen vorgefunden haben. Sie sind in den Westen gefahren, aber dort nie richtig angekommen und viele wissen nun auch nicht, wie sie wieder zurückkommen können – viele haben ja alle Brücken abgebrochen. Hinzu kommt der Fakt vieler jüngerer Aussiedler, dass sie im Westen mit den Methoden der Betreuung, Erziehung und Ausbildung der Kinder nicht einverstanden sind und sich Sorgen um ihre Kinder und deren traditioneller Zukunft machen.
Alichanow schlug vor, für derartige Menschen, die sich gerne an Russland erinnern und die aber auch Erfahrungen im Westen gesammelt haben, Möglichkeiten zu schaffen, beides im Interesse Russlands zu nutzen. Sie könnten Unternehmer werden, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit in allen nur denkbaren Formen entwickeln – natürlich oder gerade unter den Sanktionsbedingungen. So, wie Russland bereit ist, westlichen Unternehmern in Russland zu helfen, so könnten die ehemaligen russischen Bürger Russland im Ausland helfen.
Aber es gibt nicht nur ehemalige sowjetische, ehemalige russische Bürger, die über Veränderungen nachdenken. Es gibt auch Deutsche, die über eine Übersiedlung nach Russland nachdenken.
Meine ständigen Leser und Zuschauer wissen, dass ich dieser Thematik, insbesondere wenn es um eine Übersiedlung nach Kaliningrad geht, sehr kritisch gegenüberstehe. Mir ist bei vielen die Motivation unklar, wenn sie mir erzählen, wie sie sich ein neues Leben in Königsberg erträumen.
Ungeachtet dessen steht aber trotzdem die Frage, ob Russland eine neue Migrationswelle von Deutschen nach Russland zulassen sollte und wohin diese fließen soll, wenn der Damm in Deutschland bricht.
Ich finde, Russland sollte bereits jetzt die Voraussetzungen schaffen, dass trotz aller Reiseerschwernisse möglichst viele Deutsche nach Russland reisen können – für einen, für zwei, für drei Schnupperaufenthalte. Alle die wollen, sollen sich von den russischen Realitäten überzeugen können. Alle sollen verstehen, dass Russland nicht das Paradies auf Erden ist und auch wir unsere Bürokratie, unsere Gesetze, unsere Probleme, unsere Politiker haben. Das dämpft dann bei nicht wenigen schon den Wunsch, nach Russland auszureisen.
Bei all den Schnupperreisen wird auch schnell klar, dass man ohne gute Sprachkenntnisse in dem Land kaum etwas auf die Beine stellen kann. Einige stellen sich der Aufgabe und besuchen einen Sprachkurs, andere wiederum vergessen den Gedanken der Übersiedlung nach Russland, wenn sie feststellen, dass das russische Alphabet noch sieben Zeichen mehr hat, als das deutsche.
Um aber schnell und problemlos die Schnupperaufenthalte realisieren zu können, braucht man ein Visum. Bei aller Bereitschaft Russlands, dieses ganze System zu modernisieren … abgeschafft wird es nicht.
Es stellte schon eine kleine Sensation dar, als vor Jahren das Elektronische Visum, vorerst nur für das Kaliningrader Gebiet, eingeführt wurde. Die elitäre europäische Staatengemeinschaft verkomplizierte und verteuerte die Visaausstellung für russische Bürger und Russland beschritt den umgekehrten Weg. Russland hatte den deutschen Spruch „Freie Fahrt für freie Bürger“ übernommen. Die europäischen Länder, unter deutscher Führung, hatten diesen Spruch schon längst außer Kraft gesetzt.
Und wir erinnern uns, dass Russlands Präsident Putin im vergangenen Jahr gefordert hat, zum 1. Januar 2023 das Elektronische Visum für ganz Russland in Kraft zu setzen. Das ist nicht erfolgt.
Vor rund zwei Monaten ist ein leitender Mitarbeiter des russischen Außenministeriums vor die Mikrophone gegangen und hat erklärt, dass das Elektronische Visum am 1. Juli 2023 startet, also in weniger als zwei Wochen. Aber es herrscht gegenwärtig so eine verdächtige Stille.
Für mich steht hierbei auch die Frage, wie sich Russland gegenüber den unfreundlichen Staaten verhält. Damals, als das Elektronische Visum eingeführt wurde, waren die unfreundlichen Staaten, damals nur Großbritannien, von diesem ausgeschlossen worden. Heute ist die ganze EU unfreundlich. Und wie weiter?
Es gibt zwei Varianten.
Die erste Variante ist, die Unfreundlichkeit mit Unfreundlichkeit zu beantworten und keinem EU-Bürger ein Elektronisches Visum zu geben. Wer zu uns will, soll ein normales Visum beantragen. Die Anzahl der EU-Bürger, und der in Russland so geliebten Deutschen, wird sich in übersichtlichen Grenzen halten.
Variante zwei wäre, dass man das Elektronische Visum als Propaganda-Investition nutzt. All diejenigen, die mit dem Elektronischen Visum zu uns kommen, zehntausende, hunderttausende, vielleicht sogar Millionen, sehen, wie wir unter den Sanktionsbedingungen leben. Sie werden sehen, dass wir genau so leben, wie vor den Sanktionen. Und das werden sie erzählen, wenn sie wieder zu Hause sind.
Es wird natürlich auch andere geben, die die Realität sehen und dann in Deutschland etwas ganz anderes erzählen. Über Russland ist in den letzten 100 Jahren so viel Schlechtes berichtet worden … ich denke, dass wir mit neuerlichen Gehässigkeiten auch weitere 100 Jahre leben können.
Es bleibt also spannend: Kommt das Elektronische Visum und wenn ja, wer kann es nutzen.
Sie sahen einen Betrag von „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse. Tschüss und poka aus Kaliningrad