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Baltische Welle

Gaza - der Testfall für Kaliningrad?

Ich lese in den internationalen Nachrichten zwei Mitteilungen, die auf den ersten Blick nichts direkt miteinander zu tun haben. Aber ein paar Minuten des Nachdenkens bringen mich zu dem Gedanken, dass die gegenwärtige Situation im Nahen Osten eigentlich auch Testfall für den „Fall Kaliningrad“ sein könnte.

Zum einen geht es um Gaza – eine sehr ähnliche geopolitische Situation wie Kaliningrad. Allerdings hat Gaza nur eine Fläche von 365 qkm und Kaliningrad umfasst 15.000 qkm. Dafür wohnen in Gaza rund zwei Millionen Menschen und in Kaliningrad nur eine Million. Gaza stört das Leben, welches sich Israel für sich vorstellt so, wie Kaliningrad das Leben stört, welches sich die EU- und NATO-Staaten ebenso für sich vorstellen. Mit Interesse sollte man also jetzt auf das schauen, was dort passiert, wie sich Israel verhält, um das „Problem Gaza“ zu lösen, wie sich die westliche Staatengemeinschaft, mit den USA an der Spitze verhält, was diese unternimmt, denn das Szenario könnte sich in Kaliningrad, bei der Entfernung des „Dolches im Fleische Europas“ – wie es ein amerikanischer General vor einigen Jahren formulierte – wiederholen.

Die zweite Information stammt aus China. Dort berichtet die Zeitung „Global Times“, dass in Amerika der Gedanke, das Problem „China“ und „Russland“ mit einem Atomschlag zu lösen, immer populärer wird. Es gibt Überlegungen in einem Bericht einer parteiübergreifenden Kommission im US-Kongress, veröffentlicht am 12. Oktober, die einen gleichzeitigen Atomschlag gegen China und Russland vorsehen. Früher hatte man in den USA einen Zwei-Fronten-Atomkrieg als Alptraum bezeichnet. Jetzt sieht man dies anders und versucht sich an diesen Gedanken zu gewöhnen. Ein Atomkrieg an zwei Fronten wird für die USA zur Normalität und es scheint den ausländischen Beobachtern so, als ob man in Washington keinerlei Vorstellungen über die Folgen hat.

Russlands Präsident Putin hat diese Gedanken und Überlegungen am vergangenen Wochenende zwar als puren Unsinn bezeichnet, denn kein normal denkender Mensch wird einen derartigen Krieg riskieren, aber wir wissen ja, dass es in den USA viele Menschen, viele Entscheidungsträger gibt, die eben nicht normal denken und glauben, sie seien unsterblich.

Aber schauen wir einmal, was ich für Kaliningrad befürchte und wo ich Parallelen zum Gaza sehe.

Beginnen wir mit der Überlegung, wo denn die Amerikaner den Krieg mit Russland anfangen wollen. In Wladiwostok, in Murmansk, in Sotchi? Wohl kaum. Sie werden ihn dort anfangen, wo die logistischen Voraussetzungen am besten sind – also im Westen Russlands, also wird Kaliningrad das erste Opfer sein. Atomwaffen werden die Amerikaner nicht einsetzen – hoffe ich, denn es würde wohl ein paar Fragen der Polen und Litauer geben, was man denn mit dem Atomstaub machen soll, der sich von Kaliningrad aus in irgendwelche Windrichtungen bewegt. Man wird also konventionell gegen Kaliningrad vorgehen.

In Kaliningrad gibt es offiziell rund 50.000 Menschen, die Bürger von NATO-Staaten sind. Wie werden diese sich im Konfliktfall verhalten? Wir wissen es nicht.

Und es gibt eine unbekannte Anzahl von Bürgern, die russische Staatsbürger sind, aber eine zweite Staatsbürgerschaft dieser Staaten erworben haben, dies aber gegenüber den zuständigen Behörden verschweigen. Man kann sich dieses Schweigen leisten, denn die Strafe, wenn die russischen Behörden von einer zweiten Staatsbürgerschaft erfahren, beläuft sich auf lächerliche 500-1000 Rubel, also 5-10 Euro. Das motiviert keinen russischen Staatsbürger zur Ehrlichkeit – auch wenn in einem zweiten Satz im Strafgesetzbuch Gefängnis (für besonders schwere Fälle) angedroht wird. Und wie werden diese Bürger sich im Konfliktfall verhalten?

Wir wissen aus der historischen Erfahrung, wie einfach es ist, Menschen auf die Straße zu bringen, zu emotionalisieren und aufzuhetzen. Eine Situation in der russischen Exklave Kaliningrad zu schaffen, dürfte den Putsch-erfahrenen westlichen Demokratien nicht schwer fallen.

Und dann stehen die Schutztruppen der NATO in Bereitschaft, die die, in Angst und Schrecken vor der russischen Diktatur im ehemaligen Königsberger Gebiet lebenden Westeuropäer, schützen wollen: amerikanische Truppen in Polen, deutsche Truppen in Litauen.

In Gaza versuchen die Israelis das Bevölkerungsproblem dadurch zu lösen, dass man die Menschen auffordert, sich in eine Ecke des Gaza selber zu evakuieren, damit die israelischen Truppen freies Schussfeld haben.

In Kaliningrad könnte man die unerwünschte russische Bevölkerung Richtung Osten evakuieren – also ebenfalls zur Selbstevakuierung auffordern. Sie könnte sich im sogenannten Drei-Länder-Eck „Russland-Litauen-Polen“ dislozieren, also genau dort, wo der Suwalski-Korridor ist. Die dort stationierten amerikanischen Truppen haben also nicht die Aufgabe, den Suwalski-Korridor für die Verbindung zu den Baltischen Staaten offen zu halten, sondern genau umgekehrt: Sie sperren diesen Korridor Richtung Litauen und Polen und schaffen die Sicherheitsvoraussetzungen, dass die Kaliningrader Bevölkerung über diesen bewachten Korridor Richtung russisches Mutterland flüchten kann.

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Ist erstmal das Kaliningrader Gebiet entvölkert, kann man dort schalten und walten wie man will, braucht sich keine Gedanken über irgendwelche Abfindungen, Entschädigungen, Adaptierungen usw. zu machen. Das Gebiet ist entrussifiziert, so, wie eben der Gaza-Streifen jetzt durch die Israelis „entpalästisiert“ wird.

Die Gedanken sind schrecklich und wie üblich wird man mich für meine Überlegungen wieder mit „Komplimenten“ überhäufen. Für mich sind sie aber real und ich sehe eigentlich noch viel mehr Gefahren für das Gebiet, welches ich für mich und meine 94jährige Mutter als Lebensmittelpunkt für unsere letzten Jahre ausgesucht habe.

Es gibt nur eins, was mich zwar nicht beruhigt, aber zumindest tröstet. Das sind die Worte von Putin am vergangenen Wochenende: „Ein Krieg der USA mit Russland wird ein ganz anderer sein, als die Militäroperation in der Ukraine“. Mit anderen Worten: Wir Kaliningrader werden sterben und mit uns einige Millionen Europäer.

Autor des Beitrages ist „Baltische Welle“. Vielen Dank für Ihr Interesse. Tschüss und Poka aus Kaliningrad.